14.01.2022
Beobachtungstipp:
Einsetzender Wintergesang der Vögel
Ist Ihnen auch aufgefallen, dass noch vor dem Jahreswechsel, also um die Wintersonnenwende herum die ersten Vögel anfingen zaghaft und kurz ihre typischen Frühlingsgesänge vorzubringen? In erster Linie betrifft das Meisenarten und da v.a. die jedem geläufigen Kohl- und Blaumeisen, die meist als Standvögel in ihren Revieren verbleiben. Von denen hörte ich zwischen dem 15. und 17. Dezember (2021) schon die ersten Gesangsäußerungen. Als Gesang wird eine Strophe bezeichnet, die nur in Beziehung zur Partnersuche bzw. Revierbildung ertönt – im Gegensatz zu Rufen, die meist bestimmte Alltagssituationen der Vögel steuern.
Ein langsamer Anstieg des Hormonspiegels, v.a. des Testosterons löst den Reviergesang aus. Die Ursache der Hormonänderung liegt im Gehirn und hat seine Wurzel dort, wo Zellen Lichtintensitäten und Lichtlängen registrieren. Bis die bei uns bleibenden Vögel aber richtig anfangen zu singen, vergehen noch wenige Monate. Dann haben sich oft auch noch einige Farbänderungen im Federkleid und teils auch der Haut- und Schnabelbereiche ergeben. Die Vögel (v.a. die Männchen) wechseln dann oft vom Schlicht- in das Prachtkleid.
In manchen Vogelbüchern findet sich auch eine „Jahresuhr“, des Gesangsbeginns von Vogelarten. Das ist aber ein verbreiteter Durchschnittswert, an den sich einzelne Individuen scheinbar nicht gebunden fühlen. In Zeiten von steigenden Wintertemperaturen erlebt man, dass viele Vögel auch immer früher anfangen zu singen. Achten Sie mal darauf.
Aber derzeit im Januar ist die Gesangsaktivität noch sehr überschaubar und beschränkt sich noch auf kurze Strophen. Bei den letzten Schönwetterlagen konnte man aber schon kurze Gesangsstrophen von Dompfaff, Kleiber, Zaunkönig, Heckenbraunelle, Grünfink, Kernbeißer, Ringeltaube oder Grün- und Kleinspecht hören. Die meisten der zuletzt genannten Arten treten im Februar dann stärker in Erscheinung. Stetig kommt dann eine neue Vogelart singend dazu. So sind im Februar die ersten Gesänge von Misteldrossel, Buchfink oder Gartenbaumläufer zu hören. Im März hält der Frühling dann unverkennbar seinen Einzug.
Ein auffälliger Wintersänger ist das Rotkehlchen. Dieser kleine Vogel mit geschwollener roter Brust ist eigentlich das ganze Jahr über territorial und duldet keine Nebenbuhler um sich. Dabei muss es sich nicht um das selbe Tier handeln, was hier später auch sein Brutrevier hat. Auch Rotkehlchen, die Kurzstreckenwanderungen im Winter durchführen, singen in der Ferne. Scheinbar stimuliert bei der Art besonders das schwache Licht zur Dämmerungszeit. Es fällt auf, dass Rotkehlchen im Schein einer Laterne unter künstlichen Bedingungen auch jetzt im Winter deutlich länger singen. Anfang Januar hörte ich ein Rotkehlchen auch in den Hallen eines Baumarktes singen.
Auch der Star ist eine Art, die scheinbar im ganzen Winter ein flottes Lied auf den Lippen bzw. im Schnabel hat. Bei dem variationsreichen Gesang des Stares, der auch gut andere Arten oder Geräusche imitieren kann, fällt es uns Menschen aber vermutlich schwer den eigentlichen Reviergesang von den Strophen zu unterscheiden, die vielleicht eher dem Zusammenhalt im Trupp dienen.
Immo Vollmer, Dipl.-Biologe und Naturschutzreferent der NI