08.12.2022
Rheinland-Pfalz
Naturschutzinitiative (NI) fordert Nachbesserungen beim Bewirtschaftungsplan „Westerwälder Seenplatte“
Für alle in Deutschland ausgewiesenen FFH- und Vogelschutzgebiete sind nach Vorgaben der EU sogenannte verbindliche „FFH-Managementpläne“ bzw. „FFH-Bewirtschaftungspläne“ zu erstellen. FFH- und Vogelschutzgebiete sind Gebiete, die im Rahmen des europäischen Schutzgebietsnetzes Natura 2000 zum Erhalt wild lebender Pflanzen- und Tierarten und ihrer natürlichen Lebensräume dienen.
Nachdem die Obere Naturschutzbehörde bei der SGD Nord vor kurzem den Entwurf des Bewirtschaftungsplanes (BWP) „Westerwälder Seenplatte“ offengelegt hatte, hat die Naturschutzinitiative e.V. (NI) hierzu eine naturschutzfachliche Stellungnahme abgegeben.
Die Naturschutzinitiative kritisiert dabei den fachlich unzureichenden Umfang des Bewirtschaftungsplanes, der im Wesentlichen auf unzureichende Recherchen sowie Erhebungen im Gelände zurückzuführen sei, so der Umweltverband.
Unzureichende Untersuchungen im FFH-Gebiet – Maßnahmenkatalog zu unverbindlich
Das FFH-Gebiet „Westerwälder Seenplatte“ ist für den seltenen Lebensraumtyp der nährstoffarmen, periodisch trockenfallenden Stillgewässer von landesweiter Bedeutung („FFH-Lebensraumtyp Nr. 3130 – Nährstoffarme bis mäßig nährstoffreiche Stillgewässer mit Strandlings- oder Zwergbinsen-Gesellschaften“). In Abhängigkeit des Trockenfalles der Gewässer bilden sich kurzlebige und niedrigwüchsige Pflanzengesellschaften auf den trockengefallenen Teichböden aus. Aus der Ferne her sind diese nur als grüne Bodenüberzüge auszumachen.
„Die Erfassung des für das FFH-Gebiet wertbestimmenden Gewässertyps ist damit nur bei Trockenfallen des Gewässers möglich. Da pro Jahr nur eine Auswahl an Teichen abgelassen wird und dabei je nach Ablasszeitpunkt unterschiedliche Aspekte entstehen, hätte man hier mehrjährige Untersuchungen durchführen müssen. Hilfreich wäre es auch gewesen, eine umfangreiche Recherche bei Personen und Institutionen durchzuführen, die sich schon floristisch und vegetationskundlich mit dem Gebiet beschäftigt hatten“, erklärte Dipl.-Biologe Immo Vollmer, Naturschutzreferent der NI. Er verweist zudem darauf, dass es verschiedenen Planungen und Veröffentlichungen sowie eine Arbeit an der Universität Koblenz gegeben habe, die eine andere Situation aufgezeichnet hätte.
Die NI vermutet daher, dass sich die Obere Naturschutzbehörde bei der SGD Nord mit Hinweis auf die Biotopkartierung von 2006 die Kosten für eine aktuelle Erhebung und Recherche sparen wollte. „Auch aufgrund des Alters dieser Erhebung und dass die Landes-Biotopkartierung nur eine Kurzzeitbegehung ist, gibt diese für den bedeutendsten Lebensraumtyp, der Teichbodenvegetation, nicht hinreichende Aussagen“, so Biologe Immo Vollmer.
NI fordert eine neue Planung
Die Naturschutzinitiative e.V. (NI) fordert daher eine neue, dem Artvorkommen angepasste Erfassung der Arten in den Zeiten der Trockenfallung der Gewässer.
„Aus diesem mangelhaften Grundlagenwissen heraus ergibt sich eine defizitäre Planung. Weitere Arten und Lebensraumtypen, für die das FFH-Gebiet ausdrücklich da sein soll, werden nach unserer Auffassung aber auch nur unzureichend diskutiert. Insgesamt kommt es somit dazu, dass die Maßnahmenableitung unbefriedigend oder teils zu unverbindlich ist“, so der Naturschutzverband.
Alle Gewässer der Seenplatte einbeziehen
Neben diesen fachlichen Mängeln hält die NI die Einbeziehung aller zu der Westerwälder Seenplatte gehörigen Seen in den Bewirtschaftungsplan des FFH-Gebiets für erforderlich. Das FFH-Gebiet umfasst nämlich nicht den gesamten Gewässerverbund der Seenplatte.
Denn die komplexen Schutzanforderungen an des Westerwälder Seenplatte seien im Verbund möglichst vieler Gewässer besser zu gewährleisten. Ein alternierendes Trockenfallen sei so leichter zu ermöglichen. So werde es im derzeitigen Naturschutzmanagement auch schon praktiziert. Damit wäre es also konfliktfrei, auch die Gebiete außerhalb des eigentlichen FFH-Gebietes als sogenannte „externe Maßnahmenräume“ in den Bewirtschaftungsplan mit einzubeziehen.
EU-Kommission verklagt Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof
Im Rahmen der stichprobenhaften Überprüfungen durch die EU-Kommission wurde laut NI festgestellt, dass Deutschland seinen Berichtspflichten nicht hinreichend nachkomme. Wegen der defizitären Pläne und ihren Ausführungen habe die EU-Kommission daher ein Vertragsverletzungsverfahrens eingeleitet und die Bundesrepublik Deutschland Anfang 2021 wegen mangelhafter Umsetzung der FFH-Richtlinie vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt.
„Da die EU-Kommission gerade die Umsetzung der Maßnahmen in den Deutschen FFH-Gebieten aber auch die Verbindlichkeit und Nachvollziehbarkeit der FFH-Managementpläne für unzureichend ansieht, hätte hier eine dezidiertere Planung vorgelegt werden müssen. Die hier vorliegende Planung genügt nach unserer Einschätzung dem Ziel nicht. Wo keine ausreichenden Grunddaten vorliegen, kann aber auch nicht sachgerecht geplant werden. Wir hoffen daher auf Verbesserunen in der Planung“, betonte Dipl.-Biologe Immo Vollmer, Naturschutzreferent der NI.
Naturschutz als verbindliche Aufgabe ernst nehmen
„Wir kritisieren auch nicht das engagierte Naturschutzmanagement an der Westerwälder Seenplatte. Aber gute Planungen sind kein entbehrlicher Formalismus. Sie legen verbindliche Ziele fest, an denen das Erreichte gemessen werden kann. Nur so ermöglichen sie auch eine Effizienzkontrolle der eingesetzten Arbeit. Nichts anderes fordert auch die EU: Nämlich den Naturschutz als verbindliche Aufgabe ernst zu nehmen“, betonte Harry Neumann, Landesvorsitzender der NI.
>>> Lesen Sie hier den Presseartikel aus der Westerwälder Zeitung vom 07.12.2022