Baden-Württemberg
Windpark Hilpensberg (Pfullendorf) - Schlagopfer reißen nicht ab
Mehr Naturschutz erforderlich!
Vom nördlich des Bodensees im Kreis Sigmaringen (Baden-Württemberg) gelegenen Windpark „Hilpensberg“ meldete das NI-Mitglied Magret Bures erneut einen toten Rotmilan unter einer Windenergieanlage.
Im März des letzten Jahres erst wurde ebenfalls von diesem Windpark ein erschlagener Mäusebussard gemeldet und aus 2017 wurden dort Totschlagfunde von einer Bechsteinfledermaus und einer Langohrfledermaus dokumentiert. Ironischerweise gehören die letzten drei Arten zu den angeblich nicht Windkraft-empfindlichen Arten, die bei Artenschutzprüfungen zu Windparks hinsichtlich ihrer Schlaggefährdung nicht betrachtet werden müssen. Alle Funde an diesem Windpark wurden entsprechend dokumentiert der bundesweiten Schlagopferdatei an die Staatliche Vogelschutzwarte Brandenburg gemeldet.
Frau Bures berichtete, dass die meisten Bürger nach Errichtung der WEA nur noch selten den Höhenrücken mit dem Windpark aufsuchen und dass Totfunde eine „Ausnahme“ seien. Dies sehen die dort aktiven Naturbeobachter allerdings anders. So ging in 2017 zu einem ca. 600m entfernt gelegenen Rotmilanhorst im Jahresverlauf ein Elterntier verloren. Beim Rotmilan bedeutet der Verlust eines Elterntieres meist auch das Eingehen des Nachwuchses.
Nach Aussage von Dipl.-Biologe Immo Vollmer, Naturschutzreferent der NI, ist von Verlusten in Größenordnungen von über 250000 Fledermäusen, über 10.000 Mäusebussarden und ca. 3000 Rotmilanen pro Jahr auszugehen (bezogen auf die ca. 30.000 WEA in Deutschland). Eine „grüne Technologie“ als Basis für einen verantwortungsbewussten Energieverbrauch sei das in keinem Fall, so das Fazit von Biologe Immo Vollmer.
Totfunde melden!
Die Naturschutzinitiative ruft dazu auf, bei bestehenden Windparks auf Tierverluste zu achten, da Betreiber und die Behörden der meisten Bundesländer erfahrungsgemäß nicht an der Ermittlung realistischer Opferzahlen interessiert sind. Eher werde die Schlaggefahr dieser Technologie verharmlost.
Schlagopfermeldungen bitte an: rotmilan[at]naturschutz-initiative.de.
Schäden für die Biologische Vielfalt und Funktionsverlust
Es ist auch nicht davon auszugehen, dass durch Fortschritte in der Vermeidungstechnologie die Schlagopferzahlen nicht mehr ansteigen. Gerade hier beobachtet die NI aus Beteiligungsverfahren, dass zunehmend nur noch hoch konfliktbelassene Standorte, vorwiegend in Wäldern, zur Genehmigung beantragt werden. Diese werden dann meist auch wider besseres Wissen in teils lang sich hinziehenden Genehmigungs- und teils auch Gerichtsverfahren durchgedrückt. Da absehbar ist, dass die Populationen bald nicht mehr den Verlust (zugerechnet auch die anderen Ursachen) durch Nachwuchs aufgefangen können, sind weitere Facetten in dem weltweiten Biodiversitätsverlust vorprogrammiert.
Dieser Funktionsverlust an einem vormals vitalen Ökosystem zeichnet sich als nächste große Krise am Horizont ab, der die gesamte Menschheit in ihren Bann ziehen wird. Möglicherweise gibt es aber bereits einen Zusammenhang zwischen dem Biodiversitätsverlust und der zunehmenden Anzahl an weltweit sich auswirkenden Epidemien. In einer aktuellen Bundespressekonferenz weist Bundesumweltministerin Svenja Schulze darauf hin, dass „weltweiter Naturschutz das Risiko künftiger Seuchen verringern kann“.
Dr. Sandra Junglen, Leiterin der Arbeitsgruppe „Ökologie neuartiger Arboviren“ am Institut für Virologie, Charité Universitätsmedizin Berlin:
„Die Entstehung zahlreicher Krankheiten kann mit dem Vordringen des Menschen in vormals unberührte Natur erklärt werden. Intensive Landnutzung, die Verbreitung von Monokulturen oder Rodungen von Wäldern führen zu einem Verlust der Artenvielfalt und verändern die Zusammensetzung der Säugetierpopulationen. Weniger Artenvielfalt bedeutet mehr Tiere einer Art im selben Lebensraum. Wenn das Ökosystem derart aus dem Gleichgewicht gerät, können sich Infektionskrankheiten besser verbreiten. Artenvielfalt und funktionierende Ökosysteme können vor der Ausbreitung von Infektionskrankheiten schützen.“
Mehr Infos:
https://ipbes.net/global-assessment
http://wolfgangepplenaturschutzundethik.de/?p=2321