29.11.2019 - PRESSEMITTEILUNG
Erschlagener Rotmilan an der Windkraftanlage bei Arolsen unterstreicht schlechte Genehmigungspraxis - Rotmilane in Gebieten mit Windkraft gefährdet und rückläufig!
Im Oktober fand der Länder- und Fachbeirat der Naturschutzinitiative e.V. (NI) Jürgen Bender aus Arolsen einen an der Windkraftanlage (WKA) bei Arolsen-Massenhausen erschlagenen Rotmilan aus der aktuellen Brutsaison. Daraufhin veranlasste Röntgenaufnahmen des Greifvogels wiesen Verletzungen an Flügel und Brustbein nach.
Es handelt sich dabei pikanterweise genau um die Anlage, für die im Rahmen der Genehmigung Nebenbestimmungen erlassen wurden, dass für den Fall einer nah gelegenen Brut des Rotmilans die Anlagen für die Brutzeit abgestellt werden sollten. Dieser Fall trat so im Jahr 2017 direkt ein, weswegen eine befristete Abschaltung wirksam wurde. Da wohl die Nutznießer dieser Anlage dieses nicht akzeptieren wollten, wurde offensichtlich versucht, die hier brütenden Tiere gesetzeswidrig durch Störungen zu vertreiben.
Diese Vorgänge wurden öffentlich, da Mitglieder des NABU offensichtlich Mitarbeiter des Betreibers dabei erwischten, wie sie unter dem Brutbaum zur Vergrämung der Vögel lärmten und mit Knüppeln auf den Stamm einschlugen. Es kam zu einer Anzeige, die aber hinsichtlich der juristischen Schwierigkeit des Nachweises eines vorsätzlichen Straftatbestandes von den zuständigen Institutionen eingestellt wurden. Die Presse berichtete in mehreren Artikeln.
„Dieser Vorgang zeigt, dass die Profitgier besonders in der Windenergiebranche, den Natur- und Artenschutz nicht ernst nimmt. Sogenannte ‚Vermeidungsmaßnahmen‘ als Kompromisslösung, um dennoch zu einer Betriebsgenehmigung zu kommen, sind selten das Papier wert, auf dem das steht. Der jetzt an dieser Windenergieanlage (WEA) erschlagene Rotmilan musste diese blauäugige und lasche Genehmigungspraxis leider mit dem Leben bezahlen“, so NI-Sprecher Jürgen Bender, Nordhessen.
Der Vorfall verdeutlicht aber auch drastisch die besondere Gefährdung, die dem Rotmilan in Gebieten mit intensiver Windkraft droht. Bundesweit wird nach Hochrechnungen (z.B. der 2016 veröffentlichten „Progress-Studie“ im Durchschnitt mit 1,6 toten Rotmilanen pro 10 Anlagen und Jahr gerechnet. Dieses können bei den aktuell ca. 30000 WEA in Deutschland grob 4800 tote Rotmilane pro Jahr sein. In Deutschland brüten lediglich 14000-18000 Brutpaare, was gut die Hälfte der weltweit nur in Europa mit 25000-33000 Brutpaaren vorkommenden Art ist. Es ist damit eine Obergrenze der Windkraftnutzung erkennbar, oberhalb dessen es zu drastischen Rückgängen kommt.
Politik und Lobbyisten der Windenergie versuchen zwar solche Vorgänge als unrelevante Ausnahmen darzustellen und bestreiten die sich abzeichnende Bestandsgefährdung auf bestimmte Vogel- und Fledermausarten. Dem gegenüber zeigen neue Untersuchungen, die aktuell im vogelkundlichen Magazin „Der Falke“ (Heft 11/2019) veröffentlicht wurden, einen eindeutigen Zusammenhang zwischen negativer Bestandsentwicklung der Rotmilan-Populationen und der Windkraftanlagendichte pro Landkreis. Die Autoren verglichen die Ergebnisse zweier bundesweiten Detailerfassungen zwischen 2005-2009 und 2010-2014 und verschnitten dieses mit der Dichte von WEA pro Landkreis.
Das Ergebnis zeigte, dass Rotmilane in Gebieten mit Windkraftanlagen im Bestand abnehmen, zumindest wenn die Dichte an WEA eine Größe von 1 WEA auf 10 km² deutlich überschreitet. Für Hessen zeigen sich im Vogelsbergkreis diese negativen Zusammenhänge von Bestandsabnahme und Windkraftdichte am deutlichsten. Wurde dagegen eine Zunahme des Rotmilanbestands nachgewiesen, dann waren stets wenige bis keine WKA installiert.
In der Bilanz zeigten die bis spätestens 2014 reichenden Daten zwar, dass sich bundesweit Rückgangs- und Zuwachstendenzen noch die Waage halten. Allerdings stellt sich angesichts des seit etwa 2010 laufenden sehr forcierten Ausbaus der Windkraft in den Mittelgebirgsregionen die Frage nach dem „wie lange noch“?
Es ist völlig unsachlich, von einer ‚Nicht-Gefährdung‘ der Art zu sprechen. Das trägt der besonderen Verantwortung Deutschlands zur weltweiten Arterhaltung des Rotmilans in keiner Weise Rechnung. Alle Forderungen zur Aufweichung des Artenschutzrechtes zu Gunsten des Ausbaus von erneuerbaren Energien werden deshalb von der Naturschutzinitiative e.V. (NI) entschieden zurückgewiesen.
„Der einzig wirksame Schutz des Rotmilans und anderer schlaggefährdeten Vögel wie auch der Fledermäuse ist das großflächige Freihalten ihrer Hauptverbreitungsgebiete von Windenergie. Für den Erhalt von schlaggefährdeten Arten wie z.B. dem Rotmilan, dem Seeadler oder den Abendsegler-Fledermäusen müssen wir zu einem Ausbaustopp der Windenergie kommen“, so der hessische Landesvorsitzende Harry Neumann.
Hintergrundinformationen
Quellen aus der örtlichen Presse:
Waldeckische Landeszeitung v. 11.5.2017 (Bericht z. Abschlagen des Horstbaumes)
Waldecker Zeitung vom 2.5.und 5.5.2018 (Bericht über die Abweisung der Klage
Waldecker Zeitung vom 2.5.2018 (Bericht über eine noch ausstehende „Prüfung“ einer Ordnungswidrigkeit
Genannte Quellen zum Rückgang von Milanen bei Hoher Windkraftdichte:
Katzenberger, J. & Sudfeld, C. (2019): Rotmilan und Windkraft - Negativer Zusammenhang zwischen WKA-Dichte und Bestandtrends. – „Der Falke“, Heft 11/2019, S. 12-15
„Progress-Studie“:
GRÜNKORN, T., BLEW,J, COPPACK, T., KRÜGER, O., NEHLS, G., POTIEK, A., REICHENBACH, M., von RÖNN, J., TIMMERMANN, H. & WEITEKAMP, S. (2016): Ermittlung der Kollisionsraten von (Greif)Vögeln und Schaffung planungsbezogener Grundlagen für die Prognose und Bewertung des Kollisionsrisikos durch Windenergieanlagen (PROGRESS). Schlussbericht zum durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) im Rahmen des 6. Energieforschungsprogrammes der Bundesregierung geförderten Verbundvorhaben PROGRESS, FKZ 0325300A-D. - PDF-Internet-Download unter http://bioconsult-sh.de/de/projekte/progress