20.01.2022
Prof. Dr. Matthias Glaubrecht
"Das biologische Analphabetentum der Politik bringt uns noch alle um"
Der Verlust an Biomasse bei Fluginsekten beträgt in Deutschland ca. 80 %. Foto: © Makrowilli
„Umwelt wird nur noch als Klima buchstabiert, dabei geht es auch um Flora und Fauna. Doch sogar Grüne opfern Artenschutz dem Windradausbau.“
„Wie wenig das Thema Artenwandel präsent ist, zeigte sich vor einigen Wochen, als im südchinesischen Kunming die 15. Weltnaturschutzkonferenz zu Ende ging, die im April 2022 fortgesetzt werden soll. Auch bei dieser UN-Artenkonferenz wurde in der vorläufigen Abschlusserklärung guter Wille bekundet, aber wenig Konkretes vereinbart.
Zwar liest man im Kunming-Papier vom Biodiversitätsverlust als einer „existenziellen Bedrohung für unsere Gesellschaft, unsere Kultur, unseren Wohlstand und unseren Planeten. Doch das Thema war kurz darauf schon wieder im Windschatten der Klimakonferenz von Glasgow verschwunden. Dass Umwelt neuerdings überhaupt nur noch als Klima buchstabiert wird, zeigt auch der höchst bedenkliche Beschluss der Ampel-Koalition, hierzulande den Arten- und Naturschutz in den Wäldern und auf den Feldern notfalls schneller als bisher weiteren Windkraftanlagen und Stromtrassen zu opfern.“
Prof. Dr. Matthias Glaubrecht
Prof. Dr. Matthias Glaubrecht referierte am 23.04.2021 für die Naturschutzinitiative e.V. (NI) zu dem Thema "Das Ende der Evolution und des Menschen".
In einem aktuellen Gastbeitrag im Tagesspiegel hat er dieses Thema noch einmal zusammengefasst: "Das biologische Analphabetentum der Politik bringt uns noch alle um".
Prof. Glaubrecht spricht aber hier nicht nur die Politik an, sondern jeden Einzelnen, da wegen eklatanter Versäumnisse in der Bildungspolitik viel zu viele Menschen den Wert von Natur nicht erkennen.
Dabei geht es auch um unsere eigene Zukunft, um einem bewohnbaren Planeten. Der Mensch nutzt bereits drei Viertel der Erde, einschließlich der Siedlungen, Städte und Straßen, vor allem aber für die Nahrungsmittelproduktion. Mittlerweile wiegt die von uns erzeugte anthropogene Masse wie Beton, Zement, Metalle und Plastik die gesamte Biomasse der Erde auf.
Es geht um einen drohenden Verlust von mehr als einer Million Arten an Tieren und Pflanzen in den kommenden Jahrzehnten, wenn wir jetzt nicht das Thema Natur- und Artenschutz ganz nach vorne stellen. Statt dessen ordnen wir den Natur- und Artenschutz in einer beispiellosen Ignoranz anderen ebenfalls drängenden Themen wie dem Klimawandel vollständig unter.
Natur ist nicht nur sich selbst wegen schützenswert, sondern weil eine intakte Biosphäre auch letztendlich unsere Lebensgrundlage ist. Die Natur erbringt auch unter diesem Blickwinkel für uns Menschen Leistungen, die mehr als das 1,5-fache des weltweiten Bruttosozialprodukts ausmachen.
Dipl.-Biologe Immo Vollmer, Naturschutzreferent der NI
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www.naturschutz-initiative.de/images/PDF2021/02NM2021.pdf